Komische Oper Berlin


Premiere: 1.04.2016 | Revue

Heute Nacht oder nie - Die Spoliansky-Revue

Stefan Huber/Kai Tietje
Uraufführung

Stückinfo

Nach ihrem überwältigenden Erfolg in der Operette Clivia kehren die Geschwister Pfister und Schauspieler Stefan Kurt mit einer Hommage an den Meister des unterhaltsamen satirischen Kabarettsongs und der großen Revuen der Weimarer Republik zurück: eine opulente Vorbühnenshow – mit bekannten und weniger bekannten Juwelen aus der Feder des jüdisch-russischen Komponisten Mischa Spoliansky. Er gehörte zu den ganz Großen der Weimarer Republik – und doch hat sein Name nie den Bekanntheitsgrad erlangt wie der seines Mitstreiters Friedrich Hollaender, an dessen Seite Mischa Spoliansky allabendlich in Max Reinhardts berühmtem Kabarett »Schall und Rauch« im Keller des Großen Schauspielhauses musizierte und komponierte. Songs wie »Morphium«, geschrieben für die bisexuelle Erotik-Tänzerin Anita Berber, oder »Das lila Lied«, das zur Hymne sexueller Minderheiten avancierte, waren die Hits jener Jahre zwischen den beiden Weltkriegen. Mit Revuen und Revue-Operetten wie Es liegt in der Luft (mit Marlene Dietrich, die in einer Nebenrolle das anzügliche »Wenn die beste Freundin« sang), Zwei Krawatten (erneut mit Marlene Dietrich, dieses Mal in der Hauptrolle), Alles Schwindel, Rufen Sie Herrn Plim! oder 100 Meter Glück gehörte der stets zurückhaltend bescheidene Spoliansky zu den Stars der Unterhaltungsbranche. Wie Friedrich Hollaender und so viele andere musste auch der in Russland geborene Jude Spoliansky, der die drohende »braune Macht« in zahlreichen Songs mit beißendem Spott bedacht hatte, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Deutschland verlassen. Aufgrund seines internationalen Ruhms konnte er seine Karriere im englischen Exil vor allem als Filmkomponist fortsetzen. Er starb 1985 im Alter von 86 Jahren in London. Seine Melodien aber sind längst unsterblich geworden. (Text Komische Oper Berlin)

Kreativteam

Inszenierung: Stefan Huber
Musikalische Leitung: Kai Tietje
Choreographie: Danny Costello
Bühnenbild: Stefan Huber
Kostüme: Heike Seidler
Lichtdesign: Diego Leetz
Sounddesign: Simon Böttler
Dramaturgie: Johanna Wall
Dramaturgie: Johanna Wall

Cast

Christoph Marti, Tobias Bonn, Andreja Schneider, Stefan Kurt, Mirka Wagner, Christoph Späth, Johannes Dunz, Meri Ahmaniemi, Anke Merz, Maya Sikora, Mariana Souza

Szenenfotos

Video






Pressestimmen

Wolfang Behrens, Berliner Zeitung

"...Denn die Musik zündet sofort, die Worte sind Brandbeschleuniger, nicht Sättigungsbeilage.(. ..)Denn schon der formidable Dirigent, Pianist, Arrangeur und Mitsänger Kai Tietje tritt im Nadelstreif, brillantineglänzig und weiß geschminkt auf. Hier herrscht die üblich nostalgische "Cabaret"-Stimmung, Berliner Typen, der Taxifahrer, die Hure, der Beamte, das Fräulein, der Bonze, die Lesbe, der Provinzler, bevölkern als singende George-Grosz-Silhouetten die fünf Treppenstufen. Und die singenden Girls sind beautiful.(...) Ohne echten Handlungs- oder Conferènce-Faden werden die Nummern logistisch geschickt, aber auch routiniert von Regisseur Stefan Huber zum Taumel einer Ausgehnacht arrangiert.(...) So aber hat man einfach nur Spaß an der präzisen Groteskkomik von Stefan Kurt, am boyischen Tenorcharme Johannes Dunks, an Mirka Wagners drallen Soubrettentönen, Andreja Schneiders grünlockiger Dessous-Madame und Tobias Bonns ausgestopfter Blasiertheit. Und natürlich ganz besonders an Christof Martis rotbestrumpften strammen Waden, der sich als verlebte Drogensüchtige samt Geranientattoo auf dem Rückendecolleté gekonnt hinlegt und baritonbebend die verschiedenen Düfte der "Heure bleue" beträllert..."

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Frederik Hanssen, Der Tagesspiegel

"...Bei ihrer ersten Produktion an der Komischen Oper, Nico Dostals Operette „Clivia“ hatten die Geschwister Pfister und ihr Lieblingsregisseur Stefan Huber die ganz große Glamour-Show abgezogen, eine Kitsch-Orgie gefeiert, die das Publikum zum Rasen brachte. Jetzt begnügen sie sich mit der kleinen Spielfläche vor dem Eisernen Vorhang und verzichten sogar auf jegliches Bühnenbild. Denn Huber und die Pfisters wollen diesmal etwas ganz anderes. Die Atmosphäre kurz vor dem schmählichen Ende der Weimarer Republik heraufbeschwören nämlich, die letzten Zuckungen von Demokratie und ihren entfesselten Amüsierbetrieb zeigen. Mit der Brecht-Stange Dieser komplexe Zugriff geht weit über den sonstigen Unterhaltungsanspruch der Truppe hinaus, erinnert an die legendären Epochen-Revuen der Ära Helmut Baumann am Theater des Westens. Und will auch deutlich mehr, als einst Mischa Spoliansky. Eleganz war ihm und seinem Librettisten Marcellus Schiffer bei ihren Gesellschaftssatiren ebenso wichtig wie frecher Wortwitz. Wenn zeitgenössische Kritiker von „bester Unterhaltung für gut angezogene Menschen“ sprachen, empfanden sie das durchaus als Lob. Die Pfisters greifen dagegen zur Brecht-Stange, schauen hinter die Kulissen der Glitzerstadt Berlin – und entdecken da die Bildwelten von Heinrich Zille und George Grosz, Proletenpoesie und expressionistische Scharfkantigkeit. Wie bei Otto Dix abgeschaut wirken die Kostüme von Heike Seidler, Tobias Bonn schwankt als ekelhaft dicker, dauerschwitzender „Bonze“ über die Bühne, Andreja Schneider trägt stolz ihr „Huren“-Outfit zur Schau, Morgenmantel und Spitzenwäsche zu grün gefärbten Locken. Und Christoph Marti, sonst als süßer Ursli der Schwarm aller Frauen und vieler Männer, wirkt erschreckend dämonisch als „Lesbe“. Zwar spannen sich die Muskeln beeindruckend unterm schwarzen Samtkleid, dazu werden stramme Waden von den ikonografischen roten Strümpfen umspannt – aber wie herb, wie verhärmt erscheint dieses überschminkte Gesicht unter der Wasserwelle! Mit spitzer Feder gezeichnet sind auch die übrigen Figuren, die auf den beiden Podesten zwischen den Musikern den ganzen, 75 Minuten kurzen Abend auf der Szene präsent bleiben, sich oft die Melodien untereinander weiterreichen. Stefan Kurt wird als zunächst ärmelschonersteifer „Beamter“ von Nummer zu Nummer mutiger, Christoph Späth gibt kodderschnauzig den „Taxichauffeur“, Mirka Wagner lässt sich als „Fräulein“ nur zu gerne von ihrem stimmprächtigen „Provinzler“ Johannes Dunz anschmachten. Glatte, lackierte Schönheit nach üblicher Revue-Art repräsentieren allein die vier Tänzerinnen, die mal als Serviermamsells, mal als Revuegirls mit Strahlelächeln über die Bretter wirbeln, wohltuende Kontrapunkte in diesem schonungslos authentischen Zeitpanorama. Dass die ganze, anspruchsvolle Chose nicht deprimierend wird, ist Spolianskys Musik zu verdanken, die eklektisch in allen nur erdenklichen Genres wildert, ob Arbeitermoritat oder Salonwalzer, ob „Mit dir möcht’ ich mal auf der Avus Tango tanzen“, Foxtrott oder Liebeslied. Ebenso stilistisch-schillernd hat Kai Tietje seine Orchester-Arrangements angelegt, charmant und frech, hier sehnsuchtsvoll aufrauschend, dort knackig-jazzig. So klingt der Kapitalismus, wo man einfach mitmuss..."




Christina Rheintal, siegessäule.de

"Auf glitzernden Flügeln das Glück: Die Geschwister Pfister brillieren in „Heute Nacht oder nie“. Mit der Revue aus Stücken des jüdisch-russischen Komponisten Mischa Spoliansky landet die Komische Oper einen Volltreffer. „Nach dem riesigen Erfolg von ,Clivia‘ wollten wir wieder mit den Geschwistern Pfister etwas machen“, sagte der Intendant der Komischen Oper Barry Kosky bei der Premierenfeier von „Heute Nacht oder nie“. Nach der mehr als opulent ausgestatteten Operette mit Christoph Marti alias Ursli Pfister in der Titelrolle, ging es nun in eine ganz andere Richtung: Keine geschwungene Showtreppe, keine aufwändige Kostümschlacht, kein Bühnenbild – kein Schwan. Das Orchester sitzt in kleiner Besetzung vor einem schwarzen Vorhang, dazwischen bewegen sich die sieben Darstellerinnen und Darsteller, sowie vier Tänzerinnen. Ein mutiger Schritt, war es doch gerade der mit einem Augenzwinkern gefeierte Überfluss, der „Clivia“ geprägt hat. Doch gute Regie-Einfälle von Stefan Huber, ein abwechslungsreiches musikalisches Arrangement von Kai Tietje und eine den kleinen Handlungspielraum der Akteurinnen und Akteure perfekt nutzende Choreographie von Danny Costello machen jede Ausstattung fast überflüssig. Mit gewohnter Brillanz verarbeiten die Geschwister Pfister das ihnen zur Verfügung gestellte Material. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der Komischen Oper lassen sie Welten entstehen, die mal amüsieren, mal berühren: Christoph Späth ist ein Taxifahrer mit Kodderschnauze, der nicht nur das Berlin der 20er Jahre repräsentiert, sondern so sicher auch heute noch zu finden ist. Mirka Wagner verzaubert als vornehmes Fräulein, Johannes Dunz ist ein stets unangenehm berührt scheinender Provinzler und Stefan Kurt ein bräsiger Beamter. Andreja Schneider, die Hure, spannt einen Bogen über die Figuren und hält das Ensemble zusammen, während sie ihrer Liebe – dem von Tobias Bonn gespielten Bonzen – hinterhertrauert. Christoph Marti spielt die Lesbe, verrucht und leicht durchgeknallt mit dem herrlich verstörenden Tanzsolo zum Stück „Morphium“. Mit der Hure singt sie das Duett „Wenn die beste Freundin“ aus dem schließlich gemeinsam mit dem Bonzen ein Trio wird – jede betrügt jeden mit jeder – und dabei wird klar: die drei Pfisters funktionieren einfach. „In der Bar jeder Vernunft sind wir Meister darin, auf diesem kleinen Nudelbrett zu stehen und zu behaupten, wir sind die große Welt. In der Komischen Oper sind wir dann die große Welt“, sagte Andreja Schneider im Interview mit uns. Dieses Versprechen haben sie eingehalten. Und klar ist auch: Das Ensemble braucht keine opulente Ausstattung. Es lebt den Satz, der sich durch den Abend zieht: „Auf glitzernden Flügeln das Glück“. Ein Abend den man gesehen haben muss. Das wussten offenbar schon vor der furiosen Premiere viele, denn die verbleibenden drei Vorstellungen in der Spielzeit sind bereits so gut wie ausverkauft."




Manuel Brug, Die Welt

"...Die Gegenwart vermisst keiner, wenn die Hure, die Lesbe, das Fräulein, der Bonze, der Beamte, der Taxichauffeur und der Provinzler so derartig 1920er-like daherkommen, als seien sie direkt den Bildern eines George Grosz oder Otto Dix entstiegen. (...) Es ist ein zum Wuchern einladendes Pfund, dass Intendant Barrie Kosky die Geschwister Pfister mit dieser Produktion – nach dem Operettenererfolg „Clivia“ – erneut an sein Haus locken konnte. Denn mit ihrer Mischung aus Glamour, Scherz, Satire und tieferer Transgender-Bedeutung kommen die Pfisters Schall und Rauch der 20er-Jahre wohl so nahe wie keine andere Formation.(...) Ursli Pfister macht aus dem Tanz buchstäblich eine Zitterpartie – doch er gleitet dabei keinen Augenblick ins Denunziatorische. Man folgt für einige todernste Minuten einer Studie über erotischen Verfall, einem Tanz der Trauer über einen alternden Körper. In all dem pfiffig-sentimentalischen Treiben, das neben fabelhaften Revue-Girls auch noch zwitschernden Soubretten-Gesang (Mirka Wagner) und prächtigen Tenorschmelz (Johannes Dunz) bereithält, ist das ein Moment von großer Wahrhaftigkeit...."