Prinzregententheater München


Premiere: 17.03.2009 | Rock Opera

Rent

Jonathan Larson
VIDEO *www.youtube.com/watch?v=kiBDc31Ctzo

Stückinfo

„No day but today!" – dieses Motto steht im Mittelpunkt des Anfang der 1990er im New Yorker East Village angesiedelten Porträts einer Gruppe von jungen (Lebens)Künstlern am Rande der Gesellschaft. Neben Problemen des eigenen künstlerischen Schaffens sehen sie sich vor allem mit der Kunst des Lebens selbst konfrontiert. So ist ihre Existenz nicht nur von Selbstfindung, der Verwirklichung eigener Ideale und von Beziehungsproblemen bestimmt. Als Kampf ums Überleben angesichts von Armut, Hunger, Drogen, Obdachlosigkeit und Aids ist sie auch mehr oder weniger ernsthaft gefährdet. Dem versuchen die jungen Leute mit hartnäckigem Optimismus und ihrer Liebe zum Leben zu begegnen – „Trotzdem leben!" heißt es für sie. Dass mit dem Abschlussjahrgang des Studiengangs Musical nun junge Darsteller auf der Bühne zu erleben sind, die ebenfalls am Beginn ihres selbstständigen künstlerischen Wirkens stehen, wird dem Stück in besonderer Weise gerecht. Während dem Autor Jonathan Larson Henri Murgers Roman Scènes de la Vie de Bohème sowie Giacomo Puccinis Oper La Bohème als inhaltliches Vorbild dienten, ist ihm mit dem Musical Rent ein lebensechtes Abbild seines eigenen Umfelds, einer verlorenen Generation, gelungen. Die Schwierigkeiten einer Existenz als junger Künstler in New York hat er bis zu seinem frühen Tod 1996 selbst 14 Jahre lang erfahren, was sich in den autobiografischen Bezügen der Geschichte niederschlägt. Seine auf Basis der Rockmusik angelegte, durchkomponierte Partitur vereint verschiedene Stile wie z.B. Soul, Gospel und Latino Sounds und gewinnt dabei doch ein ganz eigenes Profil. Die musikalische Sprache zieht ihre Überzeugungskraft vor allem aus ihrer Direktheit, Vitalität und Eingängigkeit. Nach seiner Premiere am Broadway wurde das Werk als Revolutionierung des amerikanischen Musicals und Wiederbelebung der Rockoper in der Nachfolge von Hair gefeiert. Seinen ersten großen Erfolg konnte der noch während der Tryout-Phase des Stücks verstorbene Larson jedoch selbst nicht mehr miterleben. Für sein Musical Rent, das unter anderem Tony Awards als „Bestes Musical" sowie für Partitur und Buch erhielt, wurde er posthum mit dem Pulitzer Prize ausgezeichnet. RENT – LEBE WIE AM LETZTEN TAG INTERVIEW MIT REGISSEUR STEFAN HUBER ZUR ERSTAUFFÜHRUNG 2009 (VON DRAMATURG CARSTEN DEUTSCHMANN) Was ist für Sie das zentrale Thema des Stücks? Es ist das Leben an sich. Dem Leben der modernen Menschen im Stück stehen Themen wie Tod, Krankheit und Kampf ums Überleben gegenüber, also eher die vermeintlichen Schattenseiten des Lebens. Gleichzeitig ist es ein Plädoyer für die Liebe und eine Feier des Lebens im Hier und Jetzt. Hier kommt dazu, dass die Figuren dem Alter der Studenten entsprechen und es parallele Situatio- nen gibt: Sie stehen am Anfang eines Berufslebens, haben künstlerische Träume und Visionen, können von ihrem Beruf vielleicht nicht bzw. noch nicht leben. Die Lebenssituation ist also gut nachvollziehbar. Welche Fragen stellt das Stück? Genau dieses Zelebrieren des Lebens wird auch hinterfragt. Außerdem werden die Grundfragen jedes Künstlers gestellt. Wie ehrlich bin ich mir selbst gegenüber? Bleibe ich bei meinem Traum, oder passe ich mich der Realität an? Wie gestaltet sich der autobiographische Hintergrund des Stücks konkret, in welchen Figuren steckt etwas von Jonathan Larson? Er hat viele Aspekte seines Lebens auf die beiden Hauptfiguren Mark und Roger verteilt. Larson war ja auch Schreiber und Komponist. Man weiß von Larson, dass er verschiedene Beziehungen hatte, aber auch Einzelgänger war. Die Abkapselung Rogers und seine Suche nach dem einzig gültigen Lied sind sicher Teil der Musikerseele Larsons. Auf der anderen Seite steht die Situation , die er als Autor des Stücks „Rent“ hat, nämlich die Sicht des Beobachters, der das Leben anderer und sein eigenes dokumentiert und zu Kunst verarbeitet, wie es auch Mark mit seiner Kamera tut. Wie geht man heutzutage mit dem Mythos um, der im Zuge des Todes Larsons um das Stück entstanden ist? Ich weiß nicht, ob der Mythos hier wirklich so präsent ist. Ich merke, dass die Studenten das jetzt nur noch in der Rezeption der Rezeption erleben können. In meiner Inszenierung versuche ich, den Abstand zum damaligen Zeitgeist mit einzubeziehen. Die Künstler im Stück wollen sich einerseits von der etablierten Gesellschaft abheben, auf der anderen Seite von ihrer Kunst aber auch leben können. Wieviel Idealismus können sie sich leisten? Sie leisten sich viel Idealismus und wenig Realismus. Sie feiern den Widerstand, wie existentiell der ist, sei dahingestellt. Man kann dem Stück vorwerfen, dass da Menschen die Armut feiern, die sie selbst gewählt haben. Es wäre gefährlich, das nur so zu sehen. Die Figuren würden verraten. Wenn man in diesem Alter ist, beschäftigt man sich stark mit sich und seinem Leben. Man glaubt, sich und seine Jugend verteidigen zu müssen. Und das muss so sein. Wenn es nicht immer wieder eine solche junge Generation gäbe, würden Dinge sich nicht bewegen. Ergeben sich Konflikte zwischen den Idealen der Künstler und der Wirklichkeit? Ja. Zunächst wird ein äußerer Konflikt etabliert: Wir treffen den bösen Feind Benny. Er steht für die kapitalistische Gesellschaft, die den Hausbesetzern den Lebensraum entziehen will. Je weiter das Stück voranschreitet, desto mehr konzentriert es sich auf die inneren Konflikte der Personen und ihre private Umgebung. Die Menschen geraten in Konflikte mit sich selbst, mit ihren Idealen, und hinterfragen sich und ihre Existenz. Der Titel „Rent“ bedeutet ja nicht nur Miete, sondern steht auch für Zerrissenheit. Diese besteht also nicht nur im Konflikt mit der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Figuren selbst? Ja, natürlich sind sie auf der Suche, und da bleibt immer ein Rest Orientierungslosigkeit. Das hat mit der Jugend zu tun, die sich selbst erfahren muss und über ihren Stand innerhalb der Gesell- schaft nachdenkt. Das ist ein ganz normaler Prozess. Er spitzt sich beim Künstler zu, weil er mögli- cherweise mehr Freiräume dafür hat. Das im Stück propagierte Lebensmotto „No day but today“ klingt eigentlich gan zeinfach. Was hindert die Figuren an ihrem Glück? Der Tod zum Beispiel. Oder ein beschleunigtes Leben. Dass sie keine Zeit haben. Da ist es schwierig, eine wirkliche Glückssituation zu erfahren. Und die Gemeinschaft, d.h. die Ersatzfamilie bricht auseinander. Es verändern sich Gefühle, wenn eine Person durch Tod aus so einem Gefüge ausscheidet. Das ist dann ehrlicher als die gemeinsame Feier des Lebens. Sie erfahren tatsächlich, dass das Leben endlich ist und es nicht nur den heutigen Tag gibt, dass vor und hinter uns auch etwas liegt. Eine große Rolle in diesem Zusammenhang mit der Aktualität des Mottos spielt der konkrete zeitgeschichtliche Hintergrund dieser furchtbaren Aidsepidemie. Inwiefern gilt das Motto heute noch? Man hat gelernt, mit dieser Krankheit zu leben. Aber wer sagt uns, dass so eine Epidemie nicht wiederkommen kann. Es geht um die Bedrohung des Lebens, bei Aids insbesondere im Zusam- menhang mit Liebe. Über die Jahrhunderte gab es immer wieder solche gesellschaftlichen Zustände, ob es Kriege oder andere Bedrohungen waren. Sie lassen uns über unser eigenes Leben reflektieren. Wir müssen das im Stück so ernst nehmen wie nur möglich. Das Gedankenspiel mit dem Tod ist schließlich immer eine Möglichkeit, auf kommende Situationen reagieren zu können. Die Figuren des Stücks berühren vor allem dadurch, dass sie uns mit ihren Problemen sehr nahe stehen. In erster Linie geht es um Beziehungsgeschichten. Wie gehen die Paare im Stück mit der Liebe um? Das ist fast exemplarisch. Es gibt hier drei Modelle von Liebe. Es gibt zwei homosexuelle Paare und ein heterosexuelles Paar. Als wäre es eine Art Denkmal für die vielen schwulen Aidstoten, setzt Larson das ideale Liebespaar Collins und Angel, die absolut unvoreingenommen aufeinander treffen. Eine Liebe voller Zärtlichkeit und Hingabe. Dann sehen wir eine „Amour Fou“ zwischen Joanne und Maureen, eine fast nicht lebbare Beziehung zwischen zwei Frauen, sehr stark sexuell getrieben, aber dauernd von Trennung bedroht, weil die endlosen charakterbedingten Konflikte sie zerreißen. Und wir sehen eine sehr komplizierte Annäherung zweier Menschen: Roger umgibt sich mit sehr vielen Schutzmechanismen, aus Angst vor Verletzung bei einer neuen Beziehung. Und als Antipode Mimi, die offensiv auf Roger zugeht und allmählich merkt, das sie ihn wirklich braucht. Doch diese Liebe wird zu spät erkannt, zumindest von Roger. Alle drei Beziehungen können aus unterschiedlichen Gründen nicht wirklich gelebt werden. Welche besonderen Anforderungen ergeben sich aus der musikalischen Struktur dieser durchgesungenen Rockoper? Es ist weniger ein Musical in der konventionellen Abfolge Dialog – Song, sondern eher ein durchkomponiertes Schauspiel. Es ist eine damals wie heute ungewohnte Erzählweise in Erzählton und Ausdruck, die aber stark formal komponiert ist. Man braucht hier eine zusätzliche Führung im Spiel. Es werden, wie in der Oper, Gedanken über längere Melodiebögen ausgesungen. Es entsteht ein gewisses Pathos des Ausdrucks. Man muss den Mut haben, den Gedanken im Gestus groß zu spielen, damit er kongruent ist mit der musikalischen Phrase. Das geht etwas weg vom naturalisti- schen Spiel. Selbst die normalsten Dinge wie „Guten Tag“ müssen auf einer höheren Spannungs- stufe stattfinden. Die Kunst liegt darin, das Ganze dennoch nicht künstlich erscheinen zu lassen.

Kreativteam

Inszenierung: Stefan Huber
Musikalische Leitung: Philipp Tillotson
Choreographie: Michael Schmieder
Bühnenbild: Michael Kraus
Kostüme: Anke Friedrich
Lichtdesign: Peter Platz
Sounddesign: Joe Lempp/Vicki Hall
VIDEO

Cast

Karsten Kentzel, Thorsten Ritz, Florian Soyka, Julian David, Nina Vlaovic, Marianne Curn, Stephanie Marin, Susanne von Lonski, Elissa Huber, Anna Müllerleile, Judith Peres, Anna-Marie Takenaka, Kurosch Abbasi, Michael Haltinger, Samuel Klauser, Sebastian Strehler

Szenenfotos






Pressestimmen

Tobias Hell, Münchner Merkur

"(...) Durch den unerwarteten Tod des Komponisten vor der Uraufführung blieb "Rent" formal eine Art "work in progress", das nun Stefan Huber für seine gelungene Inszenierung an der Münchner Theaterakademie aufbereitet. Unter anderem bekommt da der versöhnliche Broadway-Schluss von ihm eine realistischere Wendung verpasst, die der Kernaussage - "Es zählt nur das Jetzt" - zusätzlich Brisanz verleiht. Auch der Abschlussjahrgang der Musicalklasse schlägt sich mehr als achtbar. (...)"

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Robert Braunmüller, Abenzeitung München

"(...) Eine fünfköpfige Rockband sorgt von der Hinterbühne für unsentimentalen Sound. Mit etwas Sperrmüll, einem öffentlichen Telefon und der brennenden Mülltonne trifft Stefan Hubers Inszenierung mit sparsamen Mitteln die Atmosphäre New Yorks. Die bis in die kleinste Rolle überzeugende Ensembleleistung der Musical-Klassen verbietet die Nennung Einzelner. Wer vom üblichen Gesülze des Genres genervt ist, sollte mit "Rent" einen Versuch wagen. Der Jubel des Premierenpublikums war ohrenbetäubend. Ausnahmsweise deshalb große Worte: "Rent" ist ein Meisterwerk und die Aufführung das Beste, was an Musical derzeit in München zu erleben ist."




Egbert Tholl, Süddeutsche Zeitung

"(...) Die Aufführung macht Spaß, weil die Darsteller sich haltlos emotional und handwerklich vorbildlich (wenn auch im Gesang mitunter arg pathetisch) in ihre Rollen schmeißen. Darin ist dieser Abend das wohl Schönste, was man derzeit an Musical in München erleben kann. (...)"




Beate Kayser, Tageszeitung München

"(...) Siebzehn junge Leute, Studenten der Everding-Akademie und der Hochschule für Musik und Theater, singen und spielen sich die Seele aus dem Leib. Unter der Regie des Musical-Spezialisten Stefan Huber, im luftigen, atmosphärisch dichten Bild von Michael S. Kraus, gelingt ihnen eine temporeiche, bis ins Detail ausgearbeitete Aufführung des Musicals Rent. Ihren Einsatz, ihr Können und ihre Spielfreude kann man nur bewundern. (...) Das junge Publikum kreischt und tobt nach jeder Nummer."