Bad Hersfelder Festspiele


Premiere: 19.06.2012 | Musical

Anatevka - Fiddler On The Roof

Joseph Stein/Jerry Bock/Sheldon Harnick
Open Air

Stückinfo

Die Geschichte spielt im Russischen Reich, im ukrainischen Dörfchen Anatevka um 1905.
Im Dorf lebt eine jüdische Gemeinschaft, die großen Wert auf die Tradition legt. Der Milchmann Tevje ist zwar arm aber bewahrt sich trotz drohendem Pogrom seinen Humor und Lebensmut. Tevje will seine Töchter nach altem Brauch verheiraten, die aber halten nichts von den Traditionen und wollen den nehmen, den sie lieben. Tevje hadert mit den Ideen seiner Töchter, seine Ideale werden in Frage gestellt – aber er gibt dann doch nach. Zwei Töchter heiraten ihre Wunschmänner. Die Dritte allerdings verstößt er und verzeiht ihr erst ganz am Schluss. Der politische Druck wird immer größer und die Familie muss sich nicht nur von Traditionen, sondern auch von der Heimat verabschieden.

Kreativteam

Inszenierung: Stefan Huber
Musikalische Leitung: Kai Tietje
Choreographie: Markus Buehlmann
Bühnenbild: Stephan Prattes
Kostüme: Susanne Hubrich
Lichtdesign: Henrik Forberg
VIDEO

Cast

Michael Schanze, Marianne Larsen, Franziska Lessing, Milica Jovanovic, Lea Isabel Schaaf, Silvia Wintergrün, Rolf Sommer, Rasmus Borkowski, Jannick Harneit, Ansgar Schäfer, Patrick Imhof, Stefan Stara, Franz Frickel, Marina Edelhagen, Florian Claus, Daniel Dimitrow, Arthur Büscher, Barbara Goodman, Annette Lubosch, Juliane Dreyer, Suzana Novozel, Patrizia Margagliotta, Michael Chadim, Evren Pekgelegen, Adrian Hochstrasser

Szenenfotos

Video






Pressestimmen

Barbara Kern, blickpunkt musical

"(...) Angesichts der Inszenierung von »Anatevka« bei den Bad Hersfelder Festspielen 2012 möchte man von Herzen in Tevjes »L’Chaim, l’Chaim, aufs Leben!« einstimmen. Hier ist es gelungen, die lebensbejahende Haltung des Stücks, die Teil des jüdischen Humors ist, auf die Bühne zu bringen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch Stefan Hubers mitreißende und liebevolle Inszenierung, die zeigt, wie die Menschen in Anatevka ihrem Alltag das Beste abgewinnen und mit einer fast trotzigen Heiterkeit am Leben hängen, solange sie in ihrer ›Tradition‹ Halt finden. (...) Jemanden aus dem großartigen Anatevka-Ensemble, das während der zweieinhalb Stunden mit Beweglichkeit und Spielfreude mitreißt, herauszustellen, ist schwierig. (...) Tevjes Geschichte erzählt von der Gratwanderung zwischen Tradition und Veränderung und Bad Hersfeld lädt mit »Anatevka« zu einer sehr gelungenen zwischen Unterhaltung und großem Musiktheater ein."

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Christoph A. Brandner, Fuldaer Zeitung

"Eine Premiere im mehrfachen Sinn: Schanze steht zum ersten Mal auf den Brettern der Riesenbühne, in der Stefan Huber seine erste – begeisternde – Inszenierung präsentiert. Im übrigen setzt der uneingeschränkte Erfolg dieser mitreißenden Produktion das große Erbe fort, das der unvergessene Wolfgang Reichmann mit seinem Tevje von 1985 bis 1987 hinterlassen hat. Auch für dieses Musical ist die Stiftsruine der ideale Spielort: Ihn hat der fantasievolle Stephan Prattes mit einem großen Haufen und mit mehreren kleinen Ansammlungen von Hausrat ausrüstet. Zwischen den gewaltigen und bedrohlichen Mauern und Bögen kuscheln sich die Menschen des „fröhlichen, traurigen, rührenden, störrischen, fleißigen und ärmlichen“, ein wenig surrealen Anatevka; eines ukrainischen Schtetls kurz vor der Revolution 1905. Diese Zeit zitiert die Inszenierung und fokussiert in ihrer klug abgewogenen Mischung aus Komik, Ausgelassenheit, Besinnlichkeit, Schwermut und Melancholie hochaktuelle Themen: das Ausgeliefertsein von Minderheiten, die Zukunft der Jugend und die Frage nach dem Zustand der Welt.(...) Außergewöhnlich sind in dieser Produktion eine hohe darstellerische Qualität, die eine Kunst der kleinen Gesten erlaubt; eine sehr ausgewogene Besetzung, die unterschiedlich-authentische, liebevoll gezeichnete Charaktere zeitigt; ausgeprägte tänzerische Elemente und ein sorgsam komponiertes Ensemble. Ein Sonderlob gebührt Kai Tietje und seinem kleinen Orchester. Leidenschaftlich und präzise, griffig und gefühlvoll vereinen die Musiker Klezmer und Broadway-Sound; lassen ihre Töne zwischen Folklore und Kitsch jauchzen, spotten und klagen. Und breiten dem Ensemble einen weichen und manchmal auch robusten Klangteppich aus. Die Inszenierung verschreibt sich zunächst bunt-ausgelassener Folklore. Die Traumerzählung wird zum Paradebeispiel für eine perfekte Groteske. Doch in der Idylle mehren sich die Vorboten der Gefahr, bis die Handlung in einen beklemmenden und zu Herzen gehenden Exodus mündet.(...)"




Katharina Mayr, Da Capo

" (...) Vielleicht war es da sogar ein gutes Omen, dass ein sintflutartiger Regen bei der Premiere für eine Unterbrechung der Show sorgte, denn im Nachhinein dürfen alle Beteiligten von sich behaupten, dass sie unter dem Jubel des Publikums sogar den Naturgewalten standgehalten haben und sich in keiner Phase von der dramturgischen und darstellerischen Klasse dieser Inszenierung haben abbringen lassen. Bad Hersfeld zeigt deutlich, wie man einen solch "angestaubten" Klassiker auch heute noch sehr unterhaltenswert gestalten kann. (...) Anatevka ist zweifelsohne ein sehr charakterdiffiziles Musical, in dem es nicht um oberflächliche Bespaßung geht, sondern um Emotionen und Einfühlsamkeit. Stefan Huber hat genau dieses zu seinem Thema gemacht und legt bei seiner Inszenierung keinen Wert auf oberflächlichen Schnickschnack. (...) Stefan Huber hat seine Regie voll und ganz auf eine Inszenierung der kleinen Gesten konzentriert. In diesem Stück geht es nicht um große Gebärden, sondern um die eher stillen Momente, wofür Huber ein feines Gespür besitzt. Er stellt Bezüge zur heutigen Zeit her, in dem er die Künstler zu Beginn auf der Bühne ihre Kostüme anziehen lässt. Auch mit dieser kleinen Geste bietet er gleichzeitig einen Fingerzeig, dass sich Geschichte auch heutzutage wiederholen kann. Grandios inszeniert Huber die Traumsequenz, mit der Tevje die neuen Heiratspläne seiner Töchter zu vermitteln sucht. Trotz dieser immer wiederkehrenden Liebe zum Detail wirkt Hubers Inszenierung in keiner Phase langatmig, sondern immer berührend und emotional. Insgesamt haben die Bad Hersfelder Festspiele künstlerisch einen Volltreffer gelandet.(...)"




Hans Riebsamen, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"(...) Keinen Moment denkt man bei der Aufführung unter der Regie Stefan Hubers sehnsuchtsvoll an Shmuel Rodensky, der im Deutschland der siebziger Jahre auf den Tevje abonniert war. Schanze, der beliebte Showmaster, zeigt seine andere, durchaus starke Seite als Bühnendarsteller. Er besitzt das richtige Alter, die richtige Leibesfülle und die richtige Souveränität für die Rolle des Milchmanns, in Marianne Larsen findet er obendrein eine ihm ebenbürtige Partnerin. (...) Überhaupt sind die Darsteller durchweg ordentlich besetzt, von Ansgar Schäfer als Fleischer Lejser Wolf über Rasmus Borkowski als Student Perchik bis zu Rolf Sommer als Mottel und den drei Töchtern Zeitel (Franziska Lessing), Hodel (Milica Jovanovic) und Chava (Lea Isabel Schaaf), deren diverse Liebesleiden die Handlung vorantreiben. Anatevka ist in Bad Hersfeld ein Ort der Lebensfreude, die aus dem Wissen seiner Bewohner rührt, dass die Juden zwei Jahrtausenden der Verfolgung getrotzt haben und das Leben auch unter den schwierigsten Umständen weitergeht. Das Musical malt ein romantisches Bild des osteuropäischen Schtetl, Huber malt es fort, deutet aber die latente Pogrom-Bedrohung durch die russischen Mitbürger und den russischen Staat durchaus an, etwa wenn in der Kneipe Juden und Russen aufeinandertreffen. Stephan Prattes hat in die Mitte der Riesenbühne in stilisierter Form Tevjes Haus gesetzt, um das sich andere Häuser gruppieren. Sie könnten aus der Hand des chinesischen Künstlers Ai Weiwei stammen, der vor fünf Jahren nicht weit entfernt von Hersfeld auf der Kasseler Documenta einen Turm aus alten Pekinger Türen gebaut hat. (...)"




du, Klartext, Bad Hersfeld

"Minutenlanger stehender Applaus quittierte die geniale Darstellungskraft und Leidensfähigkeit des Ensembles in Dauerregen und Gewitter. Dass der Himmel bei der Premiere über Anatevka weinte, unterstrich die Dramatik der Geschichte und der perfekten Inszenierung. Ergriffen verfolgten die Zuschauer in der nahezu voll besetzten Stiftsruine Hoffnungen, Ängste und Nöte, die das harmonische Ensemble beschwor. Zwischenapplaus und Begeisterungsrufe honorierten immer wieder die phänomenale schauspielerische und musikalische Leistung. Unter den Gästen war Star-Regisseur Dieter Wedel auf der Suche nach jungen Talenten.(...) Mit der atmosphärischen Beleuchtung und dem großartigen Orchester bildeten die Darsteller eine homogene Einheit auf gleichbleibend höchstem Niveau. Die Aufführung machte ohne Rührseligkeit das Schicksal der Menschen aus Anatevka nachfühlbar. Sie ließ sowohl kaum fassbares Staunen und Kunstgenuss zurück als auch die Frage nach dem Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen. (...) "




Marcus C. Leitschuh, musicals

" (...) Wer sich auf das Stück einlässt, erlebt allerdings einen Theaterabend, der einen zufrieden nach Hause fahren lässt. Das liegt vor allem an der klugen Regie von Stefan Huber, an den Bühnenbildern von Stephan Prattes und den Kostümen von Susanne Hubrich. Wie lange nicht mehr gelingt es dem Kreativ-Team, den weiten Raum der Bühne zu nutzen. Längs- und Querschiff werden umfassend bespielt und man begnügt sich nicht mit den in Bad Hersfeld mitunter stereotypen Auf- und Abtrittswegen.(...) Hubers Arbeit sieht man seine große Open-Air-Erfahrung an. Er kommt mit weiten Wegen ebenso zurecht wie mit der Intimität an der Rampe. Er geht ehrführchtig mit dem christlichen Sakralbau um und hat überhaupt keine Probleme, die jüdische Folklore angemessen zu dosieren, aber auch wenn nötig, etwa bei der Hochzeit, unterm Baldachin breit auszuspielen.(...)"




Peter Krüger-Lenz, Göttinger Tageblatt

"(...) Gleich mehrfach hat es der zuständige Redakteur geschafft, in der Zeitung der Bad Hersfelder Festspiele unterzubringen, das Musical „Anatevka“ könne vielleicht ein bisschen angestaubt sein. Natürlich würde es entstaubt, schrieb er, was er als Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit schreiben muss. Und dann spielt Michael Schanze, der Gute-Laune-Onkel des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in den letzten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, auch noch die Hauptrolle, den Tevje. Kann das alles gut gehen? Es kann. Regisseur Stefan Huberhat das mit seiner Inszenierung, die am Dienstagabend Premiere in der Stiftsruine hatte, grandios bewiesen.(..) Wie sehr diese Welt aus dem Lot gerät, zeigt Bühnenbildner Stephan Prattes treffend. Er hat Tevjes Haus in Schieflage entworfen, alles scheint kurz davor, in den Abgrund zu rutschen. Die riesige Bühnenfläche in der Stiftsruine hat Prattes zudem intelligent genutzt und mit einigem Mobiliar ein ganzes Dorf geschaffen. Respekt. (...) Oft menschelt es zum Herzerwärmen in der Inszenierung, meist ist das ein Verdienst von Schanze. Doch auch die Dänin Marianne Larsen hält als Tevjes Ehefrau mit. Sie zeigt eine warmherzige und lebenskluge Frau.(..) Aber nicht allein die bemerkenswerten Darsteller bescherten der Premierenvorstellung einen großen Erfolg, Regisseur Huber hat das Stück in einem Guss inszeniert. Er hat offensichtlich ein untrügliches Gespür für den richtigen Zeitpunkt für Gemächlichkeit und Tempo. Ihm sind ganz intime kleine Szenen mit der gleichen Souveränität gelungen wie Menschenaufläufe. Gerade bei diesen großen Ensembleszenen hat Choreograph Markus Buehl­mann ganze Arbeit geleistet. Und das Orchester unter der Leitung von Kai Tietje begleitet den rund zweieinhalbstündigen Abend gut aufgelegt. Das Premierenpublikum feierte vor allem Michael Schanze. Doch auch das Regieteam erhielt tosenden Applaus für diesen berührenden, emotionalen und glanzvollen Abend."




Klaus Scheuer, osthessen-news.de

"Stehende Ovationen und tosender Beifall stellen König Lear in den Schatten. Ohne den Erfolg der Shakespeare-Inszenerung schmälern zu wollen: Das Musical Anatevka rückte mit seiner Premiere in der Bad Hersfelder Stiftsruine gestern Abend ins volle Rampenlicht der diesjährigen Festspiele. Die Besetzung der Hauptrolle von Tevje, dem Milchmann mit Michael Schanze hatte zwar schon im Vorfeld für fast ebenso großes Interesse gesorgt wie Volker Lechtenbrink in der Rolle des König Lear, doch nach dieser Premiere spricht die Inszenierung für sich. Ein hervorragendes Stück in hervorragender Inszenierung, hervorragend dargeboten, soviel vorweg. (...) Wer sich mit dem Musical Anatevka einen unterhaltsamen Abend machen wollte wurde nicht enttäuscht in der Hersfelder Stiftsruine, ebensowenig wie jener, der eher ein Stück Musiktheater mit Aussagekraft erwartet hatte. Was widersprüchlich erscheint, muss es nicht zwangsläufig sein, eine Gratwanderung zwischen Klischee und künstlerischem Anspruch? Warum eigentlich nicht. Die Inszenierung von Stefan Huber ist in Balance wie der Fiedler auf dem Dach selbst, dem Eingangsmotiv des Stücks. (...) Hubers Inszenierung arbeitet mit traditionellen Bildern, Kostüme (Susanne Hubrich) und Bühnenbild (Stephan Prattes) orientieren sich an historischen Vorlagen. Und doch bleibt die Inszenierung nicht in Klischees stecken. Überall gibt es die notwendigen Brüche, sei es in der scheinbar chaotischen Zusammenballung der Requisiten in der ersten Szene, in der stellenweise skurrilen Choreographie der Tanzszenen (Markus Buehlmann), oder der plakativen Überzeichnung von Maske und Kostüm. Gleichermaßen wirken Szene und Darstellung immer wieder höchst authentisch und scheinen Einblick in das soziale Gefüge der russischen Juden um die vorletzte Jahrhundertwende zu geben.(...) Stefan Hubers Anatevka führt den Betrachter über emotionale Grenzen, lässt herzhaft lachen und dieses Lachen sogleich im Halse stecken bleiben. (...)"