Theater Heilbronn


Premiere: 30.10.2020 | Musikalische Revue

Born To Be Wild?

Kai Tietje/Stefan Huber
Uraufführung

Stückinfo

Nach seinen vom Publikum gefeierten Beatles-Abenden »A Day on Abbey Road« und »White – The Album! The Beatles! 1968!« kommt Regisseur Stefan Huber für eine neue Show zurück ans Theater Heilbronn. Zusammen mit dem Musiker Kai Tietje und dem Heilbronner Ensemble weitet er diesmal den Fokus von einem Album und einer Band auf den Sound einer ganzen Generation: »Born to Be Wild?« spürt dem musikalischen Erbe der 68er nach, dem Soundtrack einer Umbruchszeit, in der Musik nicht nur Ausdruck des Lebensgefühls der jungen Generation war, sondern auch Motor und Katalysator gesamtgesellschaftlicher Veränderungen. Nie vorher hatte Musik für eine politische Bewegung eine ähnliche Bedeutung. Vielen Zeitzeugen scheinen in der Erinnerung Rockmusik und Protest zusammen zu gehören. Die Rockstars gaben sich den Habitus von Rebellen und enfants terribles. Die Songtexte von Jimi Hendrix und Steppenwolf, den Rolling Stones und den Doors formulierten – wie allgemein auch immer – antiautoritäre und auf­rührerische Slogans für die Anhänger und (Heraus-)Forderungen für das Establishment. Konzerte mündeten in Krawalle und Straßenschlachten. »Protestsänger« knüpften an die Tradition der Arbeiterlieder an, der sogenannte »Polit-Rock« verband Musik mit offener Agit­ation. Daneben gaben sich aber die Flower Power Bewegung und die Hippies auch in ihren Songs betont unaggressiv. Gleichzeitig fanden sich in den Charts Swing, Blues und Soul. Schlagerparaden und die beliebten TV-Shows wurden dominiert von Freddy Quinn, Udo Jürgens oder dem »Happy Sound« eines James Last. Und was hörten die Wortführer und Protagonisten der Bewegung? Will man den Zeitgenossen glauben, wählte der Adorno-Doktorand und 68er-Aktivist Hans-Jürgen Krahl in den damals omnipräsenten Jukeboxen immer denselben Song: »Mama« von Heintje. »Born to Be Wild?« vermittelt Bandbreite und Vielfalt der Musik der Zeit: Rock’n’Roll und Beat, Swing und Schlager. Eine Rockband und ein Orchester konfrontieren einander auf der Bühne, gehen aber auch musikalische Allianzen ein. Der Sound einer Zeit des Umbruchs. (Text: Theater Heilbronnn)


Weitere Infos und Karten finden Sie auf: www.theater-heilbronn.de

Kreativteam

Inszenierung: Stefan Huber
Musikalische Leitung: Kai Tietje
Choreographie: Eric Rentmeister
Bühnenbild: José Luna
Kostüme: Heike Seidler
Lichtdesign: Harald Emrich
Sounddesign: Alexander Hofmann
Video: Nikolai Stiefvater
Dramaturgie: Andreas Frane
Premiere verschoben!

Cast

Frederik Bott, Stefan Eichberg, Oliver Firit, Pablo Guaneme Pinilla, Gabriel Kemmether, Stefanie Köhm, Eve Rades, Johanna Sembritzki, Kai Tietje/Markus Herzer

Szenenfotos






Pressestimmen

Claudia Ihlefeld, Heilbronner Stimme

"Die musikalische Revue "Born to be wild?" von Kai Tietje und Stefan Huber feiert im Großen Haus des Stadttheaters umjubelte Premiere. Die Uraufführung hat das Zeug zum Publikumsrenner, jedoch muss das Theater ab Montag coronabedingt vorerst schließen. Spießig, verlogen, autoritär, so erlebt die rebellische Jugend die 60er Jahre. Während das Establishment den Untergang des Abendlandes fürchtet, als die Rockmusik nach Europa schwappt. Der Sound dieser Jahre erzählt von einem Clash der Kulturen, als Peter Alexanders frivoles "Komm und bedien dich bei mir" und "Born to be wild" von Steppenwolf aufeinanderprallen. Gibt es den Sound der 68er Jahre? "Ja, unseren," sagen Kai Tietje und Stefan Huber: in jener Mischung, mit der ihre musikalische Revue "Born to be wild?" am Freitag im Großen Haus des Heilbronner Theaters uraufgeführt wurde. Im dritten Anlauf - im März machte Corona der Premiere einen Strich durch die Rechnung, Anfang Oktober ein Krankheitsfall im Ensemble - gelingt das Kunststück, diese flotte Revue auf die Bühne zu bringen. Dass sie vorerst nicht mehr zu sehen ist aufgrund der Zwangspause für die Theater, ist bitter. Schmälert aber nicht den Premierenerfolg und den frenetischen Applaus des Publikums. Denn "Born to be wild?" bietet jede Menge Projektionsfläche. Triggert doch Christian Anders‘ "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" bei jedem etwas anderes, wie Mary Hopkins Schmachtfetzen "Those were the days, my friend" mit zum Heulen schönen Zeilen wie "We thought ... We`d live the life we choose" - wir dachten, wir würden das Leben leben, das wir wählen. Als das Ganze nach zweieinhalb Stunden samt Pause mit "Imagine" endet, John Lennons Hymne vom besseren Leben, bekommt der Abend eine utopische Note: wie gut alles sein könnte, ohne Religion, Nation, Besitz. "Imagine no possessions, I wonder if you can", singt Lennon 1971, wenngleich die Apartments im Dakota Hotel, wo er zuletzt lebte, nicht billig zu haben waren. Es sind die mitreißenden Arrangements von Kai Tietje, der den Abend musikalisch leitet, seine fulminante Combo, Stefan Hubers leichte, dabei präzise Regie und die grandiose Leistung der Heilbronner Schauspieler und vier Gastschauspieler, die diese Revue zu einer runden Sache machen. Ein charmanter Kulturkampf im glitzernden Setting einer Fernsehshow (Bühne: José Luna, Kostüme: Heike Seidler). Das Fragezeichen im Titel "Born to be wild?" kommt nicht von ungefähr. Die Idee, die Musik der rebellierenden 68er mit dem Schlager jener Jahre kurzzuschließen, hatte Tietje. Über ein Jahr dann hat Huber an dem Konzept gefeilt, das Progressive mit dem Konservativen ein wenig zu versöhnen: die Musik von Jimi Hendrix, den Stones und Led Zeppelin mit dem Schlagern von Heintje, Michael Holm und Adriano Celentano und dazu den Klang der Samstagabendsendungen im deutschen Fernsehen. Schwarz-Weiß-Schnipsel aus den Nachrichten zeigen zu Beginn die Protagonisten jener Jahre. Kurt Georg Kiesinger, Rainer Langhans, Schah Reza Pahlavi, Studentenproteste, Mick Jagger, RAF-Fahndungsplakate. Dann beginnt die eigentliche Show, die eine einfache Story erzählt: Der Aufnahmeleiter von "Mit Musik geht alles besser!" gerät in Hektik. Drei Musiker des Orchesters stecken in einer Antikriegs-Demo fest, die Live-Sendung soll gleich beginnen. Ob die Idee gut ist, Gitarre, Bass und Schlagzeug der nur für einen Auftritt eingeladenen Rockband als Ersatz zu nehmen? Die Gastmusiker nutzen ihre Chance, proben den Aufstand und verteilen backstage Tüten, die eher an ein Cornetto Erdbeer erinnern als an Hasch. Als das Attentat auf Rudi Dutschke in die SamstagabendShow einbricht, fragt man sich, wie die Regie den aufgekratzt heiteren Ton mit der brisanten Lage unter einen Hut bekommt. Huber nimmt den politischen Rahmen augenzwinkernd zur Kenntnis, die Zeitumstände gerinnen zum Vorwand für eine launige Konfrontation. Da wird "Satisfaction" zur Swingnummer" und hat Janis Joplin schon existenzieller und versoffener gesungen. Mit fortschreitendem Abend läuft die Show aus dem Ruder, wer mag, sieht darin eine Metapher auf die Gesellschaft, die auseinanderdriftet. A propos Show: Dass die den singenden Schauspielern Vergnügen bereitet, ist greifbar. Souverän bis in die schnippenden Fingerspitzen Stefan Eichberg als Entertainer Vico von Kulenburg, eine Wucht Stefanie Köhm als seine Frau und als Priscilla Joe, aber auch Johanna Sembritzki als Vicos Assistentin. Und wenn Pablo Guaneme Pinilla Christian Anders interpretiert und Gabriel Kemmether Alexandra, offenbart sich die Trashqualität von "Du" und "Mein Freund, der Baum". Es läuft wie geschmiert, mit corona-tauglicher Choreographie, durch Wände getrennt vom Orchester, dessen 24 Musiker - bis auf die Bläser - mit Maske Schlager und symphonischen Rock beherrschen. Das hat das Zeug zum Publikumsrenner. Wenn man das Theater nur ließe."

[ Weitere Pressestimmen... ]